Wir hörten viele verschiedene Dinge über Ecuador. Ecuador befindet sich seit Anfang Januar 2024 im Ausnahmezustand, der Präsident hat am 19. April erneut den Ausnahmezustand verlängert. Die ausländischen Medien raten von Reisen nach Ecuador ab. Touristen auf dem Landweg erhalten nur schwer ein Visum. Von anderen Reisenden erfuhren wir jedoch, dass sie sich sehr sicher in Ecuador fühlen und keinerlei Probleme haben. Wir hatten uns bereits in La Paz entschieden, unsere Reise wie geplant über Ecuador nach Kolumbien fortzuführen. Ein polizeiliches Führungszeugnis, welches für die Einreise auf dem Landweg seit Januar 2024 nötig ist, hatten wir uns organisiert. Dank Hans von der Finca Sommerwind kamen wir auf die Touristenliste, die die Einreise erleichtern sollte.
Wir reisten über Macará nach Ecuador ein. Und die Einreise gestaltete sich tatsächlich komplett anders als die bisherigen, schon alleine dadurch, dass wir an der Grenze die einzigen waren. Nach dem üblichen „Check-out“ aus Peru, hiess es zu hoffen, dass wir ein Visum über mindestens 60 Tagen bekämen. Die Zollbeamten waren sehr freundlich, wollten das polizeiliche Führungszeugnis sehen, und tatsächlich wirkte die Liste von Hans Wunder – im nu erhielten wir unser Visum für 90 Tage. Ronja einzuführen war nur noch eine Formsache.
Die erste Nacht verbrachten wir in Macará selber, bevor wir am nächsten Tag in das Städtchen Loja weiterfuhren. Wir genossen die Fahrt nach Loja, über Berg und Tal, die Landschaft im saftigen grün, üppig, unterbrochen von Terrassenbau. Und sofort fiel uns auf, dass hier in Ecuador alles viel sauberer ist, keine Müllberge am Strassenrand wie in Peru. In Loja konnte ich seit zwei Monaten mal wieder in einem Supermarkt einkaufen gehen - wie ich Freude hatte! So sehr ich die einheimischen, quirligen Märkte in Bolivien und Peru liebe, so sehr genoss ich es, wieder alle Produkte, die „mein Herz begehrt“, zu bekommen, wie zum Beispiel Mineralwasser MIT Kohlensäure oder Schokolade, Joghurt, mal wieder ein Stück Käse. Abends schlenderten wir durch das kleine Städtchen und assen Humitas, ein typisches Maisgericht.
Unser nächstes Ziel hiess Cuenca, die prächtige Kolonialstadt im Süden Ecuadors, Cuenca wird oft als “Athen von Ecuador“ bezeichnet. Mit knapp 400.000 Einwohnern ist Cuenca die drittgrösste Stadt von Ecuador. Im Herzen Cuencas liegt die wunderschöne alte und neue Kathedrale, die aufgrund eines Erdbebens nicht fertig gebaut wurde. Wir genossen den Bummel durch die Stadt und dessen schönen Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert, den Blumenmarkt und den Artesanalmarkt, auf dem die berühmten Panamahütte, die von Cuenca stammen, verkauft werden. Angst mussten wir keine Minute haben, und auch von einem Ausnahmezustand war hier nie etwas zu merken. Wir waren mehr als positiv überrascht, insbesondere über den tollen Mix aus Andenkultur und dem modernen Leben.
Von Cuenca aus, besuchten wir Ingapirca, die geheimnisvolle Inkastätte. Sie befindet sich nördlich von Ecuador in den Anden und ist wenig bekannt. Die präkolumbianische Stätte Ingapirca wurde nicht von den Inka selber errichtet, sondern von dem kleinen einheimischen Volk Cañari (500 v.Ch.). Für diese war Ingapirca eine wichtige Kulturstätte für Zeremonien. Die Inka kamen erst später zu der heutigen Ruinenstätte, bekämpften die Cañari zuerst viele Jahre, bevor sie friedlich zusammenlebten. Die Inka errichteten einen imposanten ovalen Sonnentempel, um den Sonnengott Inti zu verehren. Die Spanier plünderten Ingapirca nach der Entdeckung und sorgten für grosse Zerstörung. Bei gutem Wetter wanderten wir noch zum nördlichen Teil der Ruinenstätte, bestaunten das Sonnengesicht und das Gesicht des Inka-Mannes; hier probierten wir das typische, fermentierte Getränk Chicha aus gekeimtem Mais – wow, das schmeckte frisch und gut!
Nach einigen Tagen Stadtleben zog es uns von Cuenca weiter in den Nationalpark Cajas. Der NP Cajas soll eines der bestgehüteten Geheimnisse Ecuadors sein. Er beherbergt Moore, Wälder, Gletschertäler und unberührte Bergseen. Leider hatten wir diese Tage wenig Glück mit dem Wetter, doch der Nebel und die tiefhängenden Wolken unterstrichen den märchenhaften Zauber, wie in einer Kulisse eines Herr-der Ringe-Filmes noch mehr. Ziemlich durchgefroren machten wir uns nach 2 Tagen aber doch wieder auf den Weg Richtung Norden zum Nationalpark Chimborazo, und welches Glück wir hier mit unserem Stellplatz „Castillo de Altura“ in San Juan hatten. Endlich mal wieder eine warme Dusche, ein sauberes WC und Bad, sogar einen warmen Raum zum kochen und abwaschen. Auf diesen Luxus mussten wir in Peru fast gänzlich verzichten.
Das Wetter zeigte sich eher wie Aprilwetter und so war unsere Freude am nächsten Morgen riesig, als die Sonne schien und nur wenige Wolken am Himmel zu sehen waren. Nichts wie los, wir packten unsere Wanderrucksäcke und los ging es zum Eingang des Nationalparks. Auch hier wurden wir mit offenen und herzlichen Armen empfangen. Nach 2.5 Stunden und 900 Höhenmetern erreichten wir auf 5100HM die Laguna Condor Cocha, und auf dem gesamten Anstieg immer den tollen Blick auf den höchsten Punkt der Erde, den wunderschönen und mächtigen Chimborazo. Das Refugium Wymper lag 100 HM darunter; von hier aus wird der Chimborazo bestiegen. Schöne Erinnerungen kamen bei Rico auf, denn vor fast genau 23 Jahren bestieg er den Vulkan. Vielleicht sehen wir ja beide doch noch einen dieser mächtigen Vulkane von ganz oben. Der Chimborazo ist mit 6.235 Metern der höchste Punkt der Erde, aber vom Erdmittelpunkt aus gemessen. Da die Erde keine Kugel ist, sondern elliptisch, ist die Entfernung vom Erdmittelpunkt zum Äquator wesentlich grösser als zu den Polen. Er übertrifft den deutlich höheren Mount Everest aber nur um wenige Meter.
Ein unvergesslicher Tag in den Bergen lag hinter uns, und wir liessen den Abend gemütlich bei „Juan & Juan“ im Castillo de Altura ausklingen mit der Vorfreude auf weitere tolle Erlebnisse in Ecuador, das Land was wir völlig unterschätzt haben und sich uns wie ein kleiner Jubel präsentiert.